Was heißt hier Zivilcourage? Eine verhinderte Preisverleihung
(AJW) Es ist immer wieder verblüffend zu sehen wie Diskussionen über diese oder jene Preisvergabe unversehens in öffentliche Debatten über Grundsatzfragen münden können. Jetzt geschah dies erneut, als über die Bedeutung von "Zivilcourage" gestritten wurde und wie man sie auszeichnen kann. Eine Meldung von SPIEGEL ONLINE am 12.02.2011 hatte die Debatte ausgelöst.
"Pinkelnde Petra" Der erste Kunstpreis-Skandal des Jahres 2011?##
(JE) Gelegentlich treibt die an Nachrichten arme Zeit zu Beginn eines Jahres besondere Blüten. Was sonst vielleicht kaum eine Zeile im hintersten Winkel des Feuilletons wert gewesen wäre, schlägt plötzlich gigantische Wellen im Medienwald:
Da erhält der Nachwuchskünstler Marcel Walldorf an der Kunsthochschule in Dresden den Dritten Preis der Hamburger Leinemann-Stiftung für Bildung und Kunst, dotiert mit 1000 Euro – so what? könnte man fragen. Nachdem allerdings die lokale Online-Ausgabe der BILD-Zeitung am 6.1.2011 den "Pipi-Kunst-Skandal" ins Rollen brachte, verbreitete sich der u.a. über die Deutsche Presse-Agentur und die Internet-Dienste von FOCUS und DER SPIEGEL im gesamten deutschen Sprachraum; selbst das Liechtensteiner Volksblatt mochte da am 13.1. auf eine Schilderung der anstößigen Details nicht verzichten.
In ihrer Rede zur Verleihung des Medienpreises M100 Sanssouci an Kurt Westergaard am 8. September 2010 in Potsdam hob Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit in Europa ebenso hervor wie das "hohe Gut" des Respekts vor Glaube und Religion.
Werden ab 2011/12 die wichtigsten Kulturpreise in Schleswig-Holstein eingespart?##
Der Deutsche Kulturrat äußert diese Befürchtung in einer Erklärung vom 27. Mai 2010: In einem Konzept der Haushaltsstrukturkommission, veröffentlicht am Vortag und vom Kabinett bereits abgesegnet, habe das Land Schleswig-Holstein für die Jahre 2011 und 2012 jeweils 1 Mio. Euro an Einsparungen im kulturellen Bereich vorgesehen. Damit sollen Schulden abgebaut und auf die Finanzkrise der Öffentlichen Hand reagiert werden. Insofern könnte der Schritt aus Kiel auch als ein Signal für Entwicklungen in anderen Bundesländern und Kommunen verstanden werden.
Während z.B. bei Musikschulen und freien Theatern keine Kürzungen geplant sind, geht es laut den Recherchen des Kulturrates bei kulturellen Vereinigungen und vor allem bei Kulturpreisen um so heftiger zur Sache: So sollen der Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein ausgesetzt und der Norddeutsche Filmpreis ganz abgeschafft werden. Letzteres könnte allerdings noch Probleme bereiten, weil dieser Preis bisher gemeinsam mit dem Stadtstaat Hamburg ausgerichtet und finanziert wird.
DIE WELT, 17. März 2010
(J.E.) "Sollte man Plagiate mit Preisen würdigen?" und: "Geht es wirklich noch um Helene Hegemann und ihr Buch "Axolotl Roadkill"?", fragt Uwe Wittstock in einem Meinungsbeitrag der WELT der, dialektisch recht geschickt, das biedere Juristendeutsch der 'Leipziger Erklärung' zum Urheberrecht im Literaturbetrieb aufs Korn nimmt, zudem auch manche PR-Usancen der Branche (worauf aber an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll). Hier Auszüge mit dem Kern seiner Meinung zu der "Kakophonie", die kurz vor den Verleihungsritualen zum Preis der Leipziger Buchmesse selten gekannte Dimensionen annahm.
Nachwuchspreise besser als ihr Ruf - Beispiele aus Bremen und NRW
Frühjahr 2010: Der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst wird nicht einfach nur so vergeben. Mit einer Ausstellung, Führungen, Diskussionen und Konzerten verschafft er sich über mehrere Wochen hinweg immer wieder ein publizistisches und Publikums-Echo. Damit nützt er seinem Ziel, dem künstlerischen Nachwuchs Resonanz und potenziell einen Markt zu verschaffen, sicher mehr als so manche Standard-Veranstaltung in diesem Preisgenre.
(AJW) Im Vorfeld der Verleihung des Deutschen Buchpreises – er ging 2009 an Kathrin Schmidt für ihren Roman "Du stirbst nicht" – gab es, wie bereits in den Vorjahren, manche Diskussionen über Sinn und Wirkungen dieses Preises: Dient er mehr der Verkaufsförderung als der Auszeichnung literarischer Qualität? Warum können nur Romane ausgezeichnet werden? Können nur die großen Verlage von diesem Preis profitieren? Ist das Auswahlverfahren, einschließlich seiner Long- und Shortlist, offen und transparent genug? Nimmt der große Verkaufserfolg der jeweils prämierten Romane nicht anderen, weniger PR-trächtig inszenierten Titeln vielleicht sogar die Chance auf einen Markterfolg?
Diesmal kam hinzu, dass durch die Verleihung des Literaturnobelpreises 2009 an Herta Müller – sie war mit dem Roman "Atemschaukel" ebenfalls auf der Liste der 6 Finalisten vertreten – Erwartungen geweckt wurden, dass die Autorin nun auch noch den Deutschen Buchpreis erhalten könnte.
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