Heinrich-Heine-Preis erneut in den Schlagzeilen
Düsseldorf, die Geburtstadt von Heinrich Heine tat sich lange schwer mit der Anerkennung ihres berühmten Sohnes. Dann stiftete sie 1972, zum 175. Geburtstag des Schriftstellers, doch den Heinrich-Heine-Preis, heute immerhin mit 50.000 € dotiert: Dieser gerät, sehr zum Ärger der Stadt, immer wieder in die Schlagzeilen. Nur provinzielle Politquerelen? Oder liegt es vielleicht an der Ausrichtung?
Der Preis soll satzungsgemäß an Persönlichkeiten verliehen werden, „die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten“. Um einen "Literaturpreis", wie gelegentlich kolportiert, geht es hier also nicht, eher um einen für "Politische Kultur"...
Oder vielleicht doch eher um einen Preis für politisch-korrektes Wohlverhalten? 2006 jedenfalls wollte der Rat der Stadt Düsseldorf, der sich laut Satzung damals noch das letzte Wort in Sachen Preisträger vorbehalten hatte, den von der Jury ausgewählten Peter Handke wegen dessen Einschätzung von Slobodan Milosevic und den Jugoslawienkriegen den Preis verweigern, was zu einem internationalen Skandal führte. Peter Handke löste den – damals vor allem von den GRÜNEN geschürten – Konflikt, indem er auf den Preis verzichtete; durch die Debatten erhielt er aber wahrscheinlich mehr Öffentlichkeit als das bei einer regulären Verleihung der Fall gewesen wäre. Die Stadt gab klein bei und änderte die Vergaberichtlinien: die Juryentscheidung ist seitdem bindend.
Doch viel scheint man in Düsseldorf seitdem nicht gelernt zu haben: Städtische Politiker, an ihrer Spitze Oberbürgermeister Elbers, möchten wohl auch 2012 nicht auf Einflussnahme verzichten. Nun wollen sie den österreichischen Schauspieler, Filmregisseur und Autor Peter Kern als neu zu berufendes Mitglied der Preisjury verhindern, den die Ratsfraktion "Freie Wähler" nominiert hatte. Friedrich G. Conzen, CDU-Fraktionschef im Rat der Stadt: "Ich stehe dazu, dass Peter Kern aus meiner Sicht weder zum Heinrich-Heine-Preis noch zu dessen Jury passt." Stört die CDU, dass sich der homosexuelle Peter Kern, der immerhin mehrere Jahre am Schauspiel Düsseldorf, später mit Christoph Schlingensief in Zürich gearbeitet hat und ein international anerkannter Filmregisseur ist, gern als enfant terrible der Österreichischen Kunstszene geriert? Am 24. Mai entscheidet der Stadtrat, ob Peter Kern über die Preisvergabe 2012 in der Jury mitentscheiden wird. Man darf gespannt sein. (RW)
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Elfriede Jelinek, Nobelpreisträgerin und 2002 selbst mit dem Heinrich-Heine-Preis ausgezeichnet, in einer öffentlichen Mail an Peter Kern über die aktuellen Auseinandersetzungen in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens:
Lieber Peter, ich bin ehrlich schockiert darüber, was dir da widerfährt. Noch dazu in Zusammenhang mit einem Preis, der nach meinem geliebten Heinrich Heine benannt ist, und den ich ja auch bekommen habe. Geradezu entsetzt bin ich über die Diktion dieser Leute: "Er paßt nicht zur Stadt, er paßt nicht zum Preis, er paßt nicht in die Jury" in Bezug auf einen großen Künstler wie dich! Da hätte Heine einiges dazu zu sagen gewußt. So etwas würde ich über keinen Menschen sagen, außer vielleicht über militante Neonazis, aber die sind ja jahrelang gemütlich auf ihren Rädern herumgefahren und haben Menschen abgeknallt. Da hat offenbar alles gepaßt, da haben sich die Verantwortlichen keine Gedanken gemacht. Statt daß sie dir (Christoph Schlingensief ist ja leider tot, sonst würden sie auf ihm auch noch herumtrampeln) einen Orden verleihen dafür, daß ihr mit eurem Projekt junge Neonazis umgedreht und resozialisiert habt! Welche Verdienste hat denn die Stadt Düsseldorf in dieser Hinsicht? Hast du da was gehört? Ich bin ja Österreicherin und kenne mich in der deutschen Parteienlandschaft nicht so gut aus, aber du sagst ja, daß du mit diesen FW, wer immer die sind, nichts zu tun hast, aber alles mit Heine. Da schmeißen sie also wieder einen Juden (da deine Mutter Jüdin ist, bist du einer!) raus, da sind sie immer schnell, wenns darum geht. Ich hoffe sehr, die Stadt überdenkt das noch einmal. Es wäre ein unglaublicher Skandal, wenn sie dich als "unpassend" von der Jury fernhalten würden. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Dein ganzes Leben und dein ganzes Werk beweisen ja deine Gesinnung und deine künstlerische Qualität! Gerade indem dieses Werk gewissen Leuten "nicht paßt"!