Peter Handke zu Kulturpreisen

Auszug aus einem Interview von Peter Handke mit André Müller in der Frankfurter Rundschau vom 31.8.2007

Als Ihnen voriges Jahr der mit fünfzigtausend Euro dotierte Heine-Preis von der Preisjury zugesprochen, dann aber vom Düsseldorfer Stadtparlament verweigert wurde, haben Sie sich zunächst gewehrt.

Ja, ich wollte diesen Preis. 

Brauchten Sie das Geld?  

Lassen Sie mich überlegen ... 

Matthias Matussek fragte im "Spiegel", ob Sie vielleicht "finanziell bedürftig" seien.  

Das schmeichelt mir. 

Wieso?  

Weil es doch schön ist, wenn jemand am Hungertuch nagt. Aber, im Ernst, ich habe als Kind und Jugendlicher erfahren, was Armut bedeutet, und die Angst, wieder arm zu werden, spielte in meinem Leben schon eine gewisse Rolle, weil ich nicht ausgehalten werden will, weder von einer Frau noch von einem Verleger wie zum Beispiel Wolfgang Koeppen, der, als er nichts mehr schrieb, darauf angewiesen war, daß Siegfried UnseId ihn finanzierte. Jedesmal, wenn mich UnseId besuchte, hat er sich auf eine leicht humorvolle, aber doch auch bekümmerte Weise beschwert, daß er Koeppen bezahlen muss. Da dachte ich, so will ich nicht enden, und habe eine Lebensversicherung abgeschlossen, so dass ich, seit ich sechzig bin, eine Rente bekomme. Das sind tausend Euro im Monat. Damit kann ich das Schlimmste verhindern.

Warum haben Sie die fünfzigtausend Euro des vom "Berliner Ensemble" initiierten alternativen Heine-Preises dann nicht für sich behalten?

Das war von vornherein klar.

Sie haben das Geld an eine serbische Enklave im Kosovo weitergegeben.

Ja, aber das hat die Leute, die vorher geschrieben hatten, mir käme es nur auf das Preisgeld an, offenbar nicht beschämt. Es scheint, als habe in gewissen Organen wie dem "Spiegel" die Scham, wenn man den letzten Satz in Kafkas Roman "Der Prozeß" variiert, nicht überlebt.

2005 hatten Sie noch gesagt, Sie würden "grundsätzlich" nie mehr einen Preis annehmen.

Richtig, ja.

Warum hätten Sie den Heine-Preis trotzdem genommen?

Wahrscheinlich wollte ich wirklich das Geld. Aber jetzt stehe ich dazu: Ich nehme ab sofort keinen Preis mehr an.

Wer weiß ...

Wüssten Sie noch einen?

Den Nobelpreis.

Ja, aber dann bitte gleich den für Physik, für Frieden und für Literatur, alle drei, das wäre super. Nein, Spaß beiseite, ich glaube, dass der Nobelpreis, zumindest der für Literatur, schon seit längerem nichts mehr zählt. Man sollte das Geld wieder der Nobel-Stiftung geben und damit Waffen herstellen, wie es ursprünglich war.

Sie scherzen, aber im Innersten sind Sie noch immer verbittert.

Ah ja?

Frank Schirrmacher hat es in der FAZ als "die ultimative Form sozialer Demontage" bezeichnet, dass man Ihnen den Heine-Preis wieder aberkannte.

Ja, aber die FAZ ist doch die Zeitung, die das zu verantworten hatte. Zuerst haben sie die Aberkennung verursacht, und dann haben sie sich scheinheilig zurückgezogen und Demokratie gespielt. Mein Freund, der Verleger Michael Krüger, hat kürzlich zu mir gesagt, diese Zeitung will immer recht behalten ...

Wie Sie!

(nimmt einen Löffel vom Tisch, um ihn als Wurfgeschoß zu benutzen, legt ihn aber dann wieder hin): Ich wollte sagen, diese Zeitung will immer recht behalten und begeht dabei ein Unrecht nach dem anderen.

Besonders scharf haben sich die "Grünen" gegen die Vergabe des Preises an Sie ausgesprochen.

Ja, weil die völlig kulturlos sind. Keiner von denen ist ein Leser, fast keiner. Oder sie lesen strategisch. Es gibt Leute, die lesen ein Buch, und kaum sind sie fertig, glupsch, ist es weg, als wäre das Lesen nur eine Beseitigung des Buches.

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